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Saturday, September 21, 2024

Wie Deutschland zu streng gegen Insiderhandel wurde

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Unlock the Editor’s Digest for free: Roula Khalaf, die Chefredakteurin der FT, wählt ihre Lieblingsgeschichten in diesem wöchentlichen Newsletter aus. In einem Fall geht es um einen ehemaligen 48-jährigen PR-Spezialisten, der sich derzeit wegen Insiderhandels in großem Umfang vor Gericht verantworten muss. Das mögliche Höchststrafmaß von bis zu fünf Jahren Gefängnis ist für ihn fast nebensächlich. Sollte er auf allen Anklagepunkten schuldig gesprochen werden, müsste er 24 Millionen Euro an die deutsche Regierung zahlen – fast das Doppelte des angeblichen Gewinns aus den mutmaßlich illegalen Trades und weit mehr als er je besessen hat. Dieser Schuldenberg würde ihn wahrscheinlich sein Leben lang verfolgen.

Die Reform der Vergütungsgesetze in Deutschland im Jahr 2017 hat die Einsätze für Insiderhändler massiv erhöht. Jeder Euro, der an illegalen Transaktionen beteiligt war, wird seitdem von der Regierung beschlagnahmt, unabhhängig davon, ob es sich um das eingesetzte Kapital oder Gewinne handelt. Insiderhändler werden praktisch wie Drogenhändler behandelt, die ihre Kosten für den Kokainkauf nicht von ihren Gewinnen abziehen können. Dies kann zu Konsequenzen führen, die “eine zweite, lebenslange Strafe darstellen, die viel extremer ist als das ursprüngliche Urteil”, sagt Björn Boerger, ein Partner der Anwaltskanzlei Knauer.

Rechtsexperten warnen davor, dass dieser drakonische Ansatz mit einem grundlegenden Prinzip des deutschen Rechtsstaats kollidiert – der Idee, dass jeder verurteilte Straftäter nach Verbüßung seiner Haftstrafe eine sinnvolle Chance auf Wiedereingliederung in die Gesellschaft haben muss. Im Gegensatz zu den USA, wo Betrüger wie Bernard Madoff 2021 im Gefängnis starben oder wo Staatsanwälte in diesem Monat eine Haftstrafe von bis zu 50 Jahren für Sam Bankman-Fried forderten, ist die maximale Haftstrafe in Deutschland in der Regel auf 15 Jahre begrenzt.

Zudem gibt es keine Obergrenze für Rückzahlungen, was in Insiderhandelsfällen aufgrund der schnellen Natur des Börsenhandels zu sehr hohen Strafen führen kann. Ehrliche Investoren mögen wenig Mitleid für Insiderhändler empfinden, doch die aktuellen Regeln könnten so hart sein, dass sie tatsächlich für die Gesellschaft und die Märkte kontraproduktiv sind. Einige Rechtsexperten argumentieren, dass sie es sogar schwerer machen könnten, Insiderhändler überhaupt zu identifizieren, da die Regeln massive Abschreckungsmittel für Whistleblower schaffen.

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