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Sunday, February 23, 2025

Von Frankfurt nach New Haven – Die Vorwärts

Muss lesen

In seiner neuen Autobiografie rekonstruiert der Literaturtheoretiker Geoffrey Hartman die Welt seiner Jugend. Geboren in Frankfurt, wurde er 1939 im Alter von 9 Jahren mit einem Kindertransport nach England gebracht, um den Gewaltausbrüchen des 20. Jahrhunderts zu entkommen. In England begann er, sich in der fremden Umgebung mit dem Lesen zu trösten und entwickelte eine intensive Beziehung zur Literatur. Nachdem er sich seiner Mutter in Amerika wieder anschloss, studierte Hartman an der Yale University und lehrte fast 40 Jahre Literatur und Deconstruction. Obwohl er über Wordsworth und die romantischen Dichter schrieb und französische Theorien den amerikanischen Lesern vorstellte, verfolgten ihn die dunklen Silhouetten der Vergangenheit immer noch.

Auf einer Ebene prägte Hartmans frühe Flucht vor dem Faschismus seine Sicht auf die Literaturkritik selbst, eine Kunst, die er als „Lesen zum Quadrat“ bezeichnet. Sein Studium der Literaturtheorie drückte die Hoffnung aus, dass es einen Ausweg aus der blutigen Geschichte zurück in die dauerhafte Republik der Künste geben würde. Auf einer tieferen Ebene zeigt die Autobiografie die Wege auf, auf denen die frühe Vertreibung Hartman seine Beschäftigung mit Vermittlung abgewonnen hat. Er betrachtete nicht nur Texte als Vermittler zwischen historischer Realität und sich selbst, sondern betrachtete sich auch selbst als Vermittler zwischen verschiedenen Formen der Kritik und seinen literarischen und jüdischen Identitäten.

In den 1980er Jahren, gegen Ende seiner Karriere, wandte sich Hartman den jüdischen Texten und Erinnerungen zu. Inspiriert von der jüdischen Vorstellung, dass die Schrift unendliche Interpretationsmöglichkeiten bietet, genoss er die Freuden des Midrasch, der interpretativen Freiheiten und Sprachspiele. Sein „jüdischer Weg“ wurde auch durch den Einfluss seiner Frau, die als Kind nach Bergen-Belsen deportiert wurde, geprägt. Hartman kehrte zu seinen Wurzeln zurück und widmete sich Holocaust-Studien, wobei er die Vermittlung zwischen Literatur und jüdischer Identität erforschte. Durch diese Reise zu seinen Wurzeln zeichnet Hartman in seiner eindringlichen Autobiografie eine faszinierende Reise durch seinen geistigen Werdegang nach.

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