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Saturday, September 21, 2024

Joschka Fischers langer Marsch

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Die politische Transformation von Joschka Fischer ist eine der bekanntesten aus der 1968er Generation. Als Sohn eines Metzgers in konservativen Südwestdeutschland geboren, zog Fischer in den 1960er Jahren nach Frankfurt und schloss sich der aufstrebenden radikalen Studentenbewegung an. Er etablierte sich schnell in der „Sponti“-Szene, die sich von der traditionell kommunistischen Bewegung abgrenzte. Fischers Gruppe, „Revolutionärer Kampf“, organisierte sich in Frankfurts großen Fabriken und arbeitete unter Arbeitern. Nachdem er im Opelwerk tätig war, warf man ihn nach nur sechs Monaten raus, wodurch er als Taxifahrer und Buchverkäufer arbeiten musste. Nach einem frustrierten Versuch, in Fabriken politisch aktiv zu werden, wandte sich die Gruppe urbaner Politik zu.

Während die studentische Bewegung in Westdeutschland 1967 noch auf dem Vormarsch war, prägte Rudi Dutschke mit seiner Rede über den „langen Marsch durch die Institutionen“ die 68er Entscheidung, sich ab den späten 1970ern in die parlamentarische Demokratie zu integrieren. Dutschke hatte eigentlich eine konstante Störung der gesellschaftlichen Ordnung im Sinn, wohingegen er später die Grünen unterstützte. Fischer war zunächst ambivalent zur politischen Gewalt, distanzierte sich aber später von terroristischen Gruppen und engagierte sich in sozialen Bewegungen, aus denen die Grünen hervorgingen. Die Grünen erlangten politischen Einfluss und setzten sich für Umweltschutz und Feminismus ein.

Joschka Fischers Karriere symbolisiert die Integration der 1968er Generation in die deutsche politische Elite. Als deutscher Außenminister ab 1998 verkörperte er diese Integration und modernisierte das Land kulturell. Unter Fischers Führung wurde Deutschland umweltbewusster und setzte sich für Gleichberechtigung, Umweltschutz und internationale Zusammenarbeit ein. Mit dem Ziel, gesellschaftliche Veränderungen herbeizuführen, akzeptierten die Grünen die Regeln des Spiels und integrierten sich in das kapitalistische System.

Fischers Aufstieg zur politischen Elite zeigt den Übergang von einem Sponti-Radikalen zu einem neoliberalen Opportunisten. Sein Werdegang war eine langwierige Transformation, die ihn schwer fassbar macht. Kritiker betrachten ihn als Verräter, während er selbst seine politischen Entscheidungen stets im Rahmen von Menschenrechten, Freiheit und Gerechtigkeit rechtfertigt. Trotz ihrer begrenzten Erfolge haben Fischer und die Spontis erreicht, was sie sich vorgenommen haben: die Besetzung des politischen Raums und die Einführung sozialer Reformen im Rahmen des Kapitalismus.

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