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Friday, September 20, 2024

Die Frankfurter Schule, Teil 1: Warum fürchtete Anders Breivik sie? | Peter Thompson

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Als Anders Breivik im Juli 2011 seinen mörderischen Angriff in Norwegen startete, hinterließ er ein verworrenes Manifest, das nicht nur die Islamisierung Europas, sondern auch die Unterminierung durch den Kulturmarxismus der Frankfurter Schule angriff. Die Frankfurter Schule war offiziell das Institut für Sozialforschung und war an der Universität Frankfurt angesiedelt, fungierte jedoch als unabhängige Gruppe marxistischer Intellektueller, die unter der Leitung von Felix Weil versuchten, Marx’ Gedanken über den traditionell dogmatischen und reduktionistischen Marxismus hinaus auszudehnen. Sie versuchten, eine Kombination aus marxistischer Sozialanalyse und Freud’schen psychoanalytischen Theorien zu vereinen, um die Wurzeln dessen zu finden, was die Menschen in der modernen konsumorientierten kapitalistischen Gesellschaft antreibt, sowie auch das, was die Menschen in den 1930er Jahren zum Faschismus trieb.

Die Frankfurter Schule griff auf Marx frühe theoretische Arbeiten aus den 1840er Jahren zurück und hob seine humanistischen Impulse hervor. In diesen frühen Schriften finden wir viele von Marx’ wichtigsten Texte über die Rolle der Religion in Geschichte und Gesellschaft. Die Schule glaubt an die Reform des Bewusstseins als zentralen Arbeitsgrundsatz. Religion wurde nicht durch einen frontalen Angriff bekämpft, sondern durch die Beseitigung der sozialen Bedingungen, aus denen sie entstanden war. Marx war also nicht atheistisch. Die Frankfurter Schule glaubte jedoch nicht daran, dass diese Bewusstseinsreform einfach durch eine Änderung der sozioökonomischen Basis der kapitalistischen Gesellschaft erreicht werden konnte. Religion war für sie nicht nur Opium des Volkes, sondern auch ein Hoffnungsträger, der für sie selbst unverständlich geworden war.
Freud kommt hier ins Spiel, weil diese kritischen Theoretiker glaubten, dass seine Kategorien des Es, Über-Ich und Ich, die ständig miteinander interagierten, gut zur marxistischen Dialektik des historischen Kampfes und der Lösung passten. Wenn Gesellschaften historisch voranschritten, dann bedeutete dies für die Individuen einen ständigen Kampf zwischen der Realität der Welt um sie herum und dem, was sie über diese Welt dachten.

Paradoxerweise ist es ausgerechnet der große Feind der Frankfurter Schule, Breivik, der das perfekte Beispiel für die von Adorno beschriebene autoritäre Persönlichkeit darstellt: besessen vom vermeintlichen Verfall traditioneller Standards, unfähig mit Veränderungen umzugehen, gefangen in einem Hass gegen all jene, die nicht als Teil der Gruppe angesehen werden, und bereit, Maßnahmen zu ergreifen, um die Tradition gegen Dekadenz zu “verteidigen”. Adorno hielt fest, dass Persönlichkeitsmuster, die als “pathologisch” abgetan wurden, weil sie nicht mit den vorherrschenden Trend oder Idealen einer Gesellschaft übereinstimmten, sich bei genauerer Betrachtung als Übersteigerungen dessen herausstellten, was fast allgemein unter der Oberfläche in einer Gesellschaft vorhanden war. Was heute als “pathologisch” betrachtet wird, könnte unter veränderten sozialen Bedingungen zum vorherrschenden Trend von morgen werden.

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