Der Alfred-Kunze-Sportpark in Leipzig, Deutschland, ist der Spielort der BSG Chemie Leipzig. An einem Sonntagnachmittag im September machen sich Fußballfans langsam durch eine von Bäumen gesäumte Leipziger Nachbarschaft auf den Weg zum Stadion. Der Alfred-Kunze-Sportpark füllt sich mit Fans in der traditionellen grünen Kleidung von Chemie. Es könnte jedes ruhige Match in einer unteren Liga in Deutschland sein, bis die Menge im Heimfans-Block ein riesiges Banner ausrollt und lautstark zu singen beginnt. Rufe von “All Cops Are Bastards, ACAB!” hallen durch das Stadion und lenken die Aufmerksamkeit weg vom Spielfeld. Währenddessen ist der “Auswärts”-Block, wo die Fans des FC Lokomotive Leipzig sein sollten, leer. Sie haben sich entschlossen, das Spiel zu boykottieren, nachdem die Polizei anscheinend überfordert war, die Ticketvergabe für die Besucher des gegnerischen Teams stark zu beschränken. Diese ungewöhnlichen Umstände spiegeln die unruhige Normalität eines der berüchtigtsten Fußballderbys in Deutschland wider, dem Leipziger Derby.
Die Politik und der Fußball sind bereits in Deutschland untrennbar miteinander verbunden, wo es üblich ist, dass Vereine politische Identitäten haben und Aktivisten den Sport als Mittel benutzen, um eine breite soziale Basis zu erreichen. Das Leipziger Derby zwischen Lok und Chemie ist ein perfektes Beispiel dafür, wie extrem diese Verbindung sein kann. Beide Teams – Lok und Chemie – sahen sich in den 2000er Jahren mit Konkursen konfrontiert, wurden jedoch sofort neu gegründet. Lok’s rechtsgerichtete Fan-Kultur blieb größtenteils erhalten, während Chemie mit dem ausdrücklichen Ziel umstrukturiert wurde, einen Verein zu bilden, der sich dem Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus in den Stadien widmet und darüber hinaus.
Lok und Chemie haben seit Jahrzehnten eine Rivalität, die seit den frühen 2000er Jahren von vielen Fans und den Medien überschattet wurde. Das Derby wird heute als Bühne für einen Zusammenprall zwischen leidenschaftlichen Fanlagern mit radikal unterschiedlichen politischen Kulturen gesehen, die auf wachsende regionale Spannungen hinweisen und den tiefen, anhaltenden Fußabdruck der Spaltungen beleuchten, die in Deutschlands Geschichte verankert sind und lange über den Fall der Berliner Mauer vor 30 Jahren hinaus bestanden haben. Die fortwährende Auseinandersetzung von Lok mit rechtsextremen Unterstützern ist eine leider bekannte Geschichte. Auch wenn das Problem bei Teams aus dem ehemaligen Ostdeutschland häufiger zu finden ist, sind große westliche Vereine nicht immun. Die unglaubliche Popularität des Fußballs in Europa, insbesondere in Deutschland, bedeutet, dass Teams Fans aus allen Lebensbereichen anziehen und dazu neigen, Trends und Strömungen in der Gesellschaft widerzuspiegeln. Chemies linksgerichtetes Engagement ist nicht nur einzigartig in der regionalen Fußballszene, sondern setzt sie auch in einen lebhaften Kontrast zu einer zunehmenden nationalistischen Strömung im Land und zur immer stärkeren Normalisierung rechtsextremer Werte weltweit.