Plastik ist überall: in Sneakers, Zahnprothesen, Computern. Wie ein Chamäleon kann es fast unbemerkt bleiben, sich an seine Umgebung anpassen und unsichtbar werden. Natürlich wird es auch in der Kunst verwendet. Der Boom dieses praktisch unverrottbar Material in der Kunstszene kam in den 1960er Jahren, wurde jedoch schon Jahrzehnte zuvor in avantgardistischen Bewegungen in Paris inspiriert.
Die erste aus Kunststoff gefertigte Skulptur wurde 1916 vom russischen Bildhauer Naum Gabo geschaffen: “Tete No.2” (“Constructed Head No.2”), ein kubistischer Kopf aus Rhodoid, einem Zelluloseacetat-Kunststoff, der für die Herstellung von Puppen und Billardkugeln verwendet wurde. Als Plexiglas, auch bekannt als Acryl, in den 1930er Jahren auf den Markt kam, eröffneten sich neue Möglichkeiten, auch für Künstler. Kunstbewegungen wie das Bauhaus experimentierten mit Transparenz und Reflexionen.
Die Künstler der Zero-Gruppe wie Otto Piene und Heinz Mack profitierten Ende der 1950er Jahre von den Möglichkeiten dieses neuen Plastiks, indem sie mit Plastikfolien experimentierten, um ihre Lichtskulpturen zu produzieren. In verschiedenen Kunstformen und -bewegungen, einschließlich der Pop Art, erschien Plastik in unterschiedlichen Ausprägungen und wurde beispielsweise für realistische Skulpturen oder Mode verwendet.
Künstler wie Niki de Saint Phalle oder Lynda Benglis arbeiteten mit Plastik, um Grenzen zwischen Kunst und Mode zu verwischen und neue künstlerische Ausdrucksformen zu finden. Es gibt auch Künstler wie die des Nouveau Realisme, die Plastik kritisch als Symbol des Konsums und der Wegwerfgesellschaft betrachten und in ihren Werken die Überflussgesellschaft anprangern. Die Ausstellung “Plastikwelt” in der Frankfurter Schirn Kunsthalle zeigt die Vielseitigkeit und Ambivalenz von Plastik in der Kunst bis hin zu zeitgenössischen ökokritischen Arbeiten. Plastik ist Fluch und Segen zugleich, wie auch das Konzept der Kunst selbst.