Dieser Artikel erscheint in der Ausgabe vom 28. Dezember 2020 bis 4. Januar 2021. Am 6. April 1967 hielt Theodor W. Adorno auf Einladung des Verbandes Sozialistischer Studenten an der Universität Wien einen Vortrag über “Aspekte des neuen rechten Extremismus”. Damals gewann die Nationaldemokratische Partei in Westdeutschland an Popularität, was eine große Gefahr darstellte. Adorno, hoch geschätzt für seine philosophischen Schriften, analysierte die faschistischen Tendenzen in liberalen Demokratien und betonte die Fragilität und Widersprüche dieser Systeme.
In dem Vortrag ging es sowohl um spezifische Fälle des neofaschistischen Wiederauflebens in Westdeutschland als auch um die allgemeine Frage, was Faschismus ist und wie liberale Demokratien damit umgehen sollten. Adorno argumentierte, dass Demokratien aufgrund ihrer Struktur anfällig für Missbrauch sind und oft ihre eigenen Ideale verletzen, was zu Unzufriedenheit und Resentiments führt. Sein politisches Engagement in den späten 60er Jahren sollte als Korrektiv zur Vorstellung von Adorno als Philosoph der Dunkelheit dienen, der sich in einem “Grand Hotel Abyss” versteckte.
Adorno betonte, dass Faschismus keine Ausnahmeerscheinung in liberalen Demokratien sei, sondern ein strukturelles Zeichen ihres Versagens. Seine Warnungen vor autoritären Bewegungen gelten auch heute angesichts des weltweiten Wiederauflebens des Neofaschismus. Er hielt fest, dass Faschismus in der Gesellschaft verwurzelt ist und immer wieder bekämpft werden muss, da er aus den grundlegenden Strukturen der Welt entsteht.
Adorno war überzeugt, dass Demokratien sich immer noch nicht ihren eigenen Idealen gerecht werden und daher anfällig für neofaschistische Bewegungen sind. Seine Analyse des Faschismus als latente Bedrohung innerhalb der liberalen Demokratie zeigt seine Besorgnis über die aktuellen globalen politischen Trends und seine Überzeugung, dass die Vergangenheit in der Gegenwart weiterlebt und immer wieder bekämpft werden muss.