“Frankfurt Book Fair: A 75-Year Chronicle of Cultural Diplomacy and Controversy”
Die Frankfurter Buchmesse: Ein Ort der Zusammenkunft und Kontroversen
Die Frankfurter Buchmesse, eine der wichtigsten Literaturveranstaltungen der Welt, hat eine lange und facettenreiche Geschichte. Schon im Jahr 1462 gibt es Hinweise auf eine Buchmesse in Frankfurt, die moderne Version jedoch fand erstmals 1949 statt. In ihrer 75-jährigen Geschichte hat sich die Messe durch sogenannte „Buch-Diplomatie“ als Brücke zwischen Kulturen und Ländern etabliert, gleichzeitig aber auch immer wieder Kontroversen ausgelöst.
Eine Illusion der Einheit
Inmitten des Kalten Krieges, im Jahr 1955, nahmen erstmalig Länder des damaligen Ostblocks, darunter die Sowjetunion und Polen, an der Frankfurter Buchmesse teil. Auch die DDR war vertreten und präsentierte ihre Beiträge unter dem Titel „Bücher aus innerdeutschem Handel“. Die Messe galt zu dieser Zeit als einzigartiges Geschäftsevent, das eine „Illusion einer geeinten Welt“ vermittelte, so beschrieb es die Frankfurter Rundschau 1957.
Diese Illusion hielt bis zum Fall des Eisernen Vorhangs an. Ein symbolträchtiger Moment war die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den tschechischen Dissidenten Václav Havel im Jahr 1989, der jedoch aufgrund fehlender Ausreisegenehmigung nicht zur Verleihung kommen konnte. Wenige Monate später änderte sich das politische Klima dramatisch, und Havel wurde Präsident der Tschechoslowakei.
Konflikte mit der extremen Rechten
Innerhalb der deutschen Verlagslandschaft selbst gab es ebenfalls Spannungen. Schon früh forderten Vertreter des Buchhandels, dass neonazistische Verlage von der Messe ausgeschlossen werden sollten. Doch die Veranstalter entschieden, dass Verlage, solange sie nicht gegen deutsches Recht verstießen, nicht ausgeschlossen würden. Diese Haltung führte über die Jahre zu zahlreichen Protesten gegen rechtsextreme Verlage auf der Messe.
Beispielsweise eskalierte 2017 eine Lesung des AfD-Politikers Björn Höcke so sehr, dass die Polizei einschreiten musste. Diese Vorfälle werfen Fragen zur Balance zwischen der Vermeidung von Zensur und der Förderung von Meinungsfreiheit auf.
Bühne für internationale Themen
1966 begannen die ersten internationalen Demonstrationen auf der Messe, als kroatische Exilanten gegen jugoslawische Aussteller protestierten. Ein Jahr darauf waren griechische Verleger Ziel von Protesten gegen die Militärdiktatur in Griechenland. 1968, dem Jahr weltweiter Studentenproteste, mussten die Behörden Wasserwerfer gegen Demonstrationen einsetzen. Der Friedenspreis ging damals an den senegalesischen Präsidenten Léopold Sédar Senghor, was zwiespältige Reaktionen hervorrief.
Ein weiterer bemerkenswerter Moment kam 1989, als Iran nach der Fatwa gegen Salman Rushdie von der Messe ausgeschlossen wurde. Dieser Konflikt zieht sich bis in jüngste Zeiten, etwa als Iran 2015 die Messe boykottierte, weil Rushdie zur Eröffnungsrede eingeladen war.
Umstrittene Ehrengäste
Das Konzept des Ehrengastes wurde offiziell 1988 eingeführt, beginnend mit Italien. In jüngerer Zeit umgibt die diesjährige Wahl von Italien Kontroversen, da der regimekritische Autor Roberto Saviano nicht in die offizielle Delegation aufgenommen wurde.
2009 sorgte die Wahl Chinas als Ehrengast für große Kontroversen. Dissidenten waren zunächst von einem Symposium ausgeschlossen worden, nahmen jedoch trotzdem teil, was zu diplomatischen Spannungen führte. Bundeskanzlerin Merkel thematisierte die Wichtigkeit der Meinungsfreiheit und bezeichnete Bücher als wertvolle Instrumente der Demokratisierung.
Die Frankfurter Buchmesse bleibt ein wichtiger kultureller Knotenpunkt, der Dialoge fördert und gleichzeitig immer wieder als Bühne für politische Auseinandersetzungen dient. Mit ihrer enormen Geschichte und ihrem Engagement für die Freiheit des Wortes hat sich die Buchmesse als unverzichtbarer Bestandteil der globalen Literatur- und Kulturszene etabliert.