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Friday, September 20, 2024

Wie die darstellenden Künste die Pandemie überlebt haben

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Das von der British Academy finanzierte Forschungsprojekt “Pandemic Preparedness in the Live Performing Arts: Lessons to learn from Covid-19 across the G7” lief von April 2023 bis Januar 2024. Ziel des Projekts war es, zu untersuchen, wie staatliche und nichtstaatliche Förderung die Arbeit von Institutionen, Organisationen, Künstlern und Freiberuflern in den G7-Ländern während der Pandemie beeinflusst hat, insbesondere im Vergleich zwischen den USA, Kanada, dem Vereinigten Königreich und Deutschland. Prof. Heidi Liedke von der Goethe-Universität Frankfurt war Mitforscherin im deutschen Team des Projekts, mit Ronja Koch als Forschungsmitarbeiterin. Eines von Liedkes Forschungsgebieten sind digitale Formen zeitgenössischen Theaters und deren Auswirkungen auf das Theater in Großbritannien und Deutschland.

Im Rahmen des Projekts führten die Forschungsteams umfangreiche Literatursynthesen von Veröffentlichungen aus den Jahren 2020-2023 durch, darunter akademische und journalistische Publikationen sowie politische Papiere zum Theater, Oper und Tanz. Liedke sprach auch mit Vertretern mehrerer Staatstheater, dem Bundesministerium für Theater, Tanz und Performance sowie dem Deutschen Bühnenverein, unter anderem.

Das 2 Milliarden Euro umfassende Förderprogramm „Neustart Kultur“ ist das erste seiner Art und stellt eine beispiellose Finanzierung für Kultur in Deutschland bereit – in einem Umfang, der auch international einzigartig ist. Das Programm bot vielen Menschen finanzielle Sicherheit, wenn auch nicht in gleichem Maße: Während feste Mitarbeiter von kommunalen und staatlichen Theatern Kurzarbeitergeld erhielten, kämpften freiberufliche Künstler mit zahlreichen Anträgen auf finanzielle Unterstützung. Projektfinanzierung war sowohl auf Bundesebene als auch vor allem auf Landesebene verfügbar und konnte schnell und unbürokratisch beantragt werden. Es war besonders wichtig, dass Aufführungen, die ein physisches Zusammenkommen von Menschen erforderten, nicht mehr als Voraussetzung für die Förderung galten – was Freiheit und Raum für die Weiterentwicklung der eigenen Kunst bot. Viele Künstler schätzten es, dass Politiker die Bedeutung der Kultur und ihre Förderung für Deutschland betonten; sie fühlten sich gesehen.

Die Pandemie und die damit verbundenen Abstandsregelungen führten zu vielen Experimenten mit digitalen Formaten. Viele Institutionen mangelte es jedoch an einer umfassenden digitalen Strategie – sowohl in künstlerischer Hinsicht als auch hinsichtlich ihrer internen Strukturen. Insbesondere auf dem Land, wo der Internetzugang ein Problem darstellt, fehlte es an einer solchen Strategie. Es gab jedoch einen gewissen Fokus der Förderung auf ländliche Gebiete, was die Entstehung neuer performativer Formate ermöglichte und gleichzeitig die Digitalisierung vorantrieb. Öffentliche Räume wurden zunehmend einbezogen, wobei Theater wie das Frankfurter Mousonturm Künstlerhaus beispielsweise eine spezielle Freiluftbühne errichteten.

“Künstler und Theater in Deutschland und Kanada erhielten deutlich mehr Unterstützung als die in anderen Ländern”, sagt Prof. Liedke. Der Kultur-Masterplan des Landes Hessen und die Resilienzmanager, die von einigen Staatstheatern beschäftigt wurden (z.B. in Hannover oder Darmstadt), stellten bei einer gemeinsamen Konferenz, an der unter anderem ein Politiker des House of Lords teilnahm, bewährte Beispiele dar. Die Debatte darüber, ob die Finanzierung der Künste in die deutsche Verfassung aufgenommen werden sollte, stieß auf großes Interesse. „Genau darüber diskutieren Künstler in Großbritannien selbst und möchten es in die politische Arena bringen“, fügt sie hinzu.

Trotz allem weist Liedke darauf hin, dass das deutsche System auch seine Schwächen hat: Deutsche Theater müssen im Vergleich zu anderen Ländern noch erheblich zugänglicher werden – sowohl für Mitarbeiter als auch für das Publikum. Darüber hinaus müssen Minderheiten stärker berücksichtigt werden. Es gibt auch Verbesserungsbedarf in Bezug auf die Förderstrategie und die Mitbestimmung. Bürokratische Hürden und der Mangel an Koordination zwischen den verschiedenen Förderangeboten haben es insbesondere Freiberuflern erschwert, an Gelder zu gelangen. Es wäre sinnvoll, verschiedene kulturelle und politische Akteure in den Entwicklungsprozess einzubeziehen, wie dies beispielsweise mit dem „Masterplan Kultur“ in Hessen der Fall war. Die fünf Handlungsempfehlungen für politische Entscheidungsträger im Vereinigten Königreich sind auf der Homepage des Projekts verfügbar.

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